„Freundlichste Schleuse Deutschlands“
Wie? In Deutschland gibt es freundliche Schleusen? Scheinbar ja, denn vor einigen Jahren hat eine führende Wassersport-Zeitschrift mal ihre Leser gebeten, ihre freundlichste Schleuse zu melden. Und am Ende gab es ein klares Ergebnis, das wohl viele überrascht hat. Überrascht deshalb, weil diesen Ort und diese Schleuse kaum jemand kannte. Außer, man war im Raum Emden auf der Ems und auf nahen Binnengewässern unterwegs.
Es handelte sich um die Schleuse Oldersum. Am legendären Oldersumer Knick in der Ems. Wenn man bei starkem NW mit der Ebbe die Ems Richtung Emden runterfährt, dann bekommt man an dieser Stelle „einen auf den Sack“. Zu Deutsch: Es wird unruhig. Seegang, Wind peitscht gegen das ablaufende Wasser; es wird ungemütlich, weil es an Deckung durch Landschutz plötzlich fehlt. Hinzu kommt, dass die Ems zwischen Emden und Oldersum so eng im Fahrwasser ist, dass der Tidenstrom schon mal bis zu drei Knoten betragen kann, was zu noch steilerer See führt.
Wo führt nun diese Schleuse hin, durch die auch wir heute Nachmittag schleusen wollen?
Nun, sie wurde mal für kleine Binnenschiffe gebaut, damit die ohne besagten Seegang sicher nach Emden kämen. Denn hinterm Deich führt ein Kanal fast parallel zur Ems Richtung Emden. Er endet an der Borßumer Schleuse, die das Tor zum Emder Hafen öffnet. Und genau deshalb fahren wir durch diesen Ems-Seitenkanal statt durch die Seeschleuse Emden: Wir umgehen den ganzen Heckmeck mit der Seeschleuse (hab ich mal als unfreundlichste Schleuse Deutschlands erlebt vor zwei Jahren) und der Eisenbahnbrücke und dem Otto-Hus und all den anderen Brücken und mit der Kesselschleuse
(ein geniales Bauwerk, aber mitunter kritisch bei Strömung in der Schleuse, weil man nicht richtig festmachen kann, schon gar nicht, wenn der Mast hinten übersteht). Kurz vor Erreichen der Borßumer Schleuse werden wir also „rechts abbiegen“, durch idyllischen Parzellengebiete schippern und dann die fernbediente „Verbindungsschleuse“ passieren. Die wird von der Kesselschleuse fernbedient und „verbindet“ den Ems-Seitenkanal mit dem Ems-Jade-Kanal.
Heute ist also Schleusentag für uns. Oder: der Übergang von der Seeschifffahrtsstraße Ems in die Binnengewässer rund um den Ems-Jade-Kanal. Erst einmal haben wir soeben wieder mal die Masten gelegt, warten jetzt das Regengebiet ab und die Flut (gestern waren noch starke Gewitter angekündigt, die nun aber wohl ausfallen werden) und werden nach Regen-Ende dann schräg rüber fahren, das Emssperrwerk Gandersum durchfahren und wenig später links in die Oldersumer Schleuse einbiegen. Und dann schaumermal, wie „freundlich“ man dort heute ist.
Aber es gilt auch bei Schleusern wie auch sonst im Leben: „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.“ Oft jedenfalls. Nicht immer in der Seeschleuse Emden…
Teil II – am Abend geschrieben:
Das hat ja mal wieder prima geklappt mit der Schleuse Oldersum: Erst mal von Ditzum aus angerufen und gefragt, dann für 1300 einen Termin vereinbart. Kaum bogen wir in den Vorhafen ein, ging das Schleusensignal auf grün. Besser geht’s nicht. Ein Klönschnack mit dem Schleuser war auch noch drin. Und dann ging’s gewaltig in den Keller, um das Niveau der Hinterdeichgewässer zu erreichen. Eine knappe Stunde Fahrt durch den Ems-Seitenkanal und dann in Sichtweite der Schleuse Borßel rechts ab in den Verbindungskanal, an dem auch noch einige kleine Wassersportvereine liegen.
An der Verbindungsschleuse legten wir kurz an, gingen zum leerstehenden Schleusenhaus hoch, um die Telefonnummer der Steuerschleuse abzutippen und anzurufen. Klappte prima. Und auch die nächsten beiden Brücken gingen fast wie von Geisterhand auf.
Bei der dritten Brücke dann Chaos: sie ging halb auf, blieb dann aber stecken und ging weder vor noch zurück, weder hoch noch runter. Alle Sicherungen wurden gecheckt und drei Mann liefen aufgescheucht umher. Hinter uns war inzwischen ein Fahrgastschiff eingetroffen, das noch nach Aurich musste, mit vielen Passagieren an Bord. Einer der Brückenleute gab uns dann Erlaubnis, unter der halb geöffneten Brücke durchzufahren. Bei uns ganz glatt, bei der „Robbe“ war nicht mehr ganz so viel Luft nach oben beim Passieren. Der Fahrgastdampfer indes musste noch warten, mindestens eine ganze Stunde.
Wir haben dann, nicht allzu weit vor Aurich, beim Wassersportverein Westerende e.V., festgemacht. Eine gute Wahl! Gepflegtes Ambiente, sehr gästefreundlich mit freiem Zugang zu Clubraum und sehr günstigen Getränken in Eigenverantwortung. Empfehlenswert!
Morgen machen wir, weil wir gut in der Zeit sind, nur einen Kurztrip nach Aurich und bleiben dort für den Tag und die Nacht. Danach packen wir dann den zweiten Teil des Kanals bis Wilhelmshaven.