Tag 20 (14.8.) Über die Kaiserbalje bis Großensiel

Blick aus dem Klofenster auf die Kaiserbalje bei Niedrigwasser. Wir liegen trocken und warten auf die Flut.

Eben noch haben wir geschmaust: Pellkartoffeln und Matjes! Ein Festessen an Bord. (Nachbarin Ursel weiß, wie viele Stunden am Herd mich das wieder gekostet hat…) Klaus wäscht jetzt ab und ich tippe diese Zeilen. Jetzt ist es genau NW und vor zwei bis zweieinhalb Stunden wird es eh nicht weitergehen. Die Natur sagt, wann es für uns weitergeht. Ein gutes Gefühl. Man muss sich fügen, oder es geht nichts.

Doch erst einmal kurz zurückgeblickt, erst einmal auf den gestrigen Tag:

Ronald und ich haben bei Hochwasser im Dangaster Hafen erst einmal die Körpertemperatur heftig durch Schwimmen gesenkt. Das hilft bei solcher Hitze kolossal. Leider hatten meine Schuhe (wegen der unsympathischen Sprossen der Badeleiter trug ich sie) Lufteinschlüsse und ließen meine Beine immer wieder auftreiben. Gut beim Rückenschwimmen, schlecht beim Brustschwimmen. Danach mussten Ronald und Regine ein Zwangsabschiedsessen für Regine bei uns an Bord einnehmen (ich hatte zu viele Würste gekauft und wir bekamen wegen Bordhundmangels die Sache nicht alleine in den Griff):

Und dann folgte ein langes Gewitter mit Regen, der bis in die Nacht hinein schüttete. Wir saßen gemütlich in der Kajüte und versuchten uns den Resten verschiedener Biersorten. Wer nicht schnell genug zugriff, musste „Perlenbacher“ aus der Plastikflasche trinken. Die Blitze waren weit genug weg, dass sie uns nicht weiter mental beschwerten. Außerdem saßen wir in der „Drallen Deern“ ja in einem Faraday’schen Käfig wie im Auto, weil das Boot ja auch Stahl ist, der bekanntlich prima leitet.

Heute Morgen dann musste neu entschieden werden in Sachen Tourziel. Dazu werden immer wieder und jeweils aktueller die nötigen Parameter wie Tide, Wind und Gewitterdrohung ventiliert und irgendwann gibt es ein Ergebnis. Das Problem dabei ist, dass man, einmal gestartet, keinen Plan B hat. Wir liegen jetzt hoch und trocken auf der Kaiserbalje, aber wenn ein Gewitter kommt, dann liegen wir da immer noch, allein auf weiter Flur. Wir schätzten das Risiko auf Gewitter eher klein, die meisten ziehen südlich durch. Und dann hätten wir – statt Bremerhaven oder Großensiel anzusteuern – auch noch die kurze Variante Fedderwardersiel im Angebot. Das geht bei Gewitterböen dann auch im Fedderwarder Priel richtig zur Sache, aber nur für kurze Zeit. Da müsste man dann durch. Ansonsten ist das Watt ja sicher. Dicke Brecher gibt es dort nicht, weil hohe Bänke davor schützen. Wo das Wasser flach ist, da sind auch die möglichen Wellen klein. Nur der Anker muss halten.

Und jetzt eine Bemerkung für Werner: Heute war/ ist Premiere für den neuen Leichtgewichtsanker aus Alu. Bis jetzt greift er fest und sicher und wir sind sehr zufrieden, wiegt er doch weniger als die Hälfte als der bisherige, und das möglicherweise bei vergleichbarer Haltekraft. Im Ankertest hatte er jedenfalls bei den vorderen Modellen gelegen in Sachen Haltekraft. Morgen wissen wir aber mehr, wenn erst mal die Flut satt reinströmt in den Priel.

Die „Robbe“ liegt eine Kabellänge hinter uns. Die haben auf dem Weg in die Kaiserbalje erst mal (unfreiwillig) ihre Genua „gewaschen“. Oben ist ein Schäkel geknallt und sie rutschte aus der Schiene und teilweise ins Wasser. Ronald hatte das aber schnell im Griff und will im nächsten Hafen den Mast besteigen (statt ihn zu legen) und oben nach dem Rechten sehen. Und Willly Lemke ist auch gestorben, vermutlich auch, um „oben mal nach dem Rechten zu sehen“…

Robbe ankert eine Kabellänge entfernt von uns (mit Teleobjektiv fotografiert) und man sieht mit Schrecken, dass Ronald wieder ins Wasser muss, um den Braunschimmel am Wasserpass zu entfernen. Der entstand, als bei NW starker Regen in den Schlick fiel und die Spritzer das schöne weiße Laminat bedeckten. Aber das macht er ja gern. Der Ronald. Und der Regen.

Der Jade-Tiefwasserhafen könnte auch besser belegt sein, wie man hier sehen kann. So, jetzt mache ich erst mal Pause für ein Nickerchen und lasse die Tide steigen. Zu früh los ist immer blöd, weil man ständig wieder hängen bleibt. Bis jetzt hält der Anker. Später, sehr viel später heute kommt dann noch mal ein Update mit den letzten Meldungen, u.a. vom erreichten Zielhafen. „Trutz, Blanke Hans!“

Teil II am Abend

Dieses Foto entstand vor einer Viertelstunde. Unsere Abkürzung quer übers Watt vom Mittelpriel / Spitze Ecke direkt rüber zur Weser /Höhe Buhnentonne 37 vor Containerterminal wird gleich ihr Ziel erreicht haben. Von der „Robbe“, die uns mit großem Abstand folgt, ist nichts mehr zu sehen. Und das, obwohl wir den Diesel mit ganz geringer Drehzahl tuckern lassen, damit sie wieder rankommen kann. Der Unterschied beträgt 20-30cm. Und zwar Tiefgang. Wir waren einfach früher über das Wattenhoch der Kaiserbalje gekommen und sind dann langsam weitergetuckert. Nun folgen sie uns mit erhöhter Drehzahl. Noch läuft es auf, bis 2100 sogar in Nordenham. Und da wollen wir hin: Großensiel.

Warum Großensiel? Nun, erstens gibt es da keine Schleuse. Nur rund NW wird es etwas eng mit dem Wasserstand. Aber man kommt dann noch ziemlich bald zumindes bin an den ersten Anleger. (Jedenfalls mit Plattbodenschiff….). Und morgen wollen wir im Dunkel, kurz vor Anbruch des Tages, mit der einsetzenden Flut wieder starten. Abends, mit der zweiten Tide, würde es zu spät werden. Und so früh wäre das mit Schleusen grundsätzlich ein Problem. Außerdem sind wir dann auch schon ein Stück weiter die Weser hoch.

Der Wind hat uns heute total im Stich gelassen. Geplant war, laut mehrerer Wind-Apps ab 1400 NW Bft 3-4 zu bekommen. Wir hatten uns auf eine rauschende Segelfahrt übers Watt eingestellt. De facto hatten wir aber den Wind ständig mit Bft 2-3 direkt von vorn, oder wie der Segler sagt, „auf den Kopp“. Ärgerlich, aber nicht zu ändern. Das Tief war einfach nicht so schnell wie berechnet weitergezogen. Mit diesem Tief ging’s einfach schief. Es wird also eine kurze Nacht in Großensiel, was kein Schade sein muss. Viel aufregender ist eine partielle Nachtfahrt in den anbrechenden Tag hinein. Spannend und schön zugleich, aber man muss voll bei der Sache sein, denn jedes zweite Tonnenpaar auf der Weser ist unbeleuchtet. Doch AIS reduziert den Stress! Man sieht sie kommen und aufkommen, die Dampfer. Jetzt soll es noch für eine halbe Stunde regnen, da hat die Wetter-App scheinbar Recht behalten.

Eben kommt auf Kanal 72 ein Funkruf der „Robbe“ rein. Ich unterbreche die Tipperei und melde mich. Sie haben auch bei Buhne 37 das Weserfahrwasser erreicht und donnern mit sechs kn plus Tide hinter uns her. Wir sehen sie und bald haben sie uns eingeholt. Schön. Dann können wir gemeinsam Großensiel erreichen…

Das war dann ein langer Törn: Von Dangast bis Großensiel. Einmal die Halbinsel Butjadingen umrundet. Ich habe die Meilen nicht addiert, aber es sind einige. Wir werden vermutlich gut schlafen…

MM= Morgen Mehr….

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Von Kommodore

Holger Gehrke | Pastor i.R. ("in Rufbereitschaft") | Segler von Kindheit an | Nach vielen Schiffen nun beim Traumschiff "Dralle Deern" gelandet | Ich liebe das Wattenmeer | Es ist mein Revier | Außerdem bin ich Ausbilder für Sportbootführerscheine und Seefunkzeugnisse und ehrenamtlicher Mitarbeiter der Seenotretter (DGzRS) in der Bremer Zentrale | Weitere Hobbys: Posaune, Fotografie, Angeln, Amateurfunk |

2 Kommentare

  1. Hallo Holger, vielen Dank für Deine sehr ausführlichen Informationen und Berichte. Ich verfolge Euch genau. Vielleicht kannst Du ja auch mal deine Kochkünste hier zu Hause unter Beweis stellen. LG an alle aus Ritterhude deine Lieblingsnachbarin Ursel r

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