3. Tag Wesertörn (23.8.23)

Heute dreigeteilt:

  1. Tide: Wremen bis Bremerhaven
  2. Pause mit Polizei
  3. Weiter mit Flut: Bremerhaven bis Juliusplate Berne

Ehe der Morgen (und nicht: dem) graute, waren wir ab 0400h auf den Beinen. Stockfinstere Nacht im menschenleeren Wremer Hafen. Nicht daran zu denken, auszulaufen, denn wir hätten die Pricken nicht gesehen und wäre schnell aus der Spur geraten. Also warten, bis der Morgen graute und der tat das, bekanntlich von Osten her, genau so, wie die Prognose der Wetter-App es vorhergesagt hatte. Dennoch war die erste Meile ziemlich spannend, zumal der Prickenweg durchs Wremer Tief schon bei Tageslicht nicht ganz einfach zu bewältigen ist. Aber es gelang und als wir den Wurster Arm erreichten und bald darauf das Weserfahrwasser querten in Höhe von der legendären Buhnentonne 16 (auf der ich schon mal ein paar Stunden verbracht habe – nicht auf der Tonne, auf der Buhne!), da wurde es dann richtig „Tag“ und hinter der Containerkaje ging dann auch die Sonne auf.

Während ich jetzt so um 0700h herum diese Zeilen schreibe, fahren wir noch immer vor der Containerkaje lang. Das dauert heute etwas länger, weil es nach Stauwasser schon wieder leicht abläuft. Aber anders war das aus Wremen heraus heute nicht hinzukriegen als eben genau über Hochwasser. Aufgeschwommen waren wir schon weit früher, aber da war es ja noch stockfinster – wie bereits erwähnt.

So, ich muss an die Pinne, denn die Geestmündung naht und wir wollen bis zur nächsten Flut an dem Lehrke-Anleger vor der Kennedybrücke festmachen. Zum Glück liegt der ja nun wieder aus.

Danach melden wir uns wieder. Vorher aber noch Frühstück…

Teil II: Pause mit Polizei

Oder: Wo festmachen in der Geeste?

Wir haben die Geestemündung zügig erreicht, fuhren nur zuletzt noch gegen etwas stärkeren Ebbstrom, aber unsere Dieselmotoren gaben ihr Bestes und das bei wenig Verbrauch. Ein Glück – so dachten wir – dass sie nach Jahren der Vernachlässigung und danach des Abtransportes ins Nirgendwo nun seit diesem Jahr wieder den „Lehrke“-Anleger in der Geeste ausgelegt haben! Direkt vor der Kennedy-Brücke (wo es immer Klack-Klong macht, wenn übernachten will, und man deshalb immer erst ab dem dritten Besuch damit schlafen lernt). Der Anleger war auch leer – jetzt wissen wir auch, warum! Ein Schild steht dran:

Den ersten Satz sahen wir als verständlich und nachvollziehbar an, den zweiten haben wir nicht verstanden und ignoriert. Wir waren uns nicht klar, welche Nöte hier gemeint sind und akzeptiert werden. Unsere Not bestand darin, irgendwo fünf Stunden abwarten zu können, bis nach der Ebbe wieder die Flut kommt. Eine Alternative gibt es keine, außer gegenan zu fahren. Da kommt man aber kaum von der Stelle und jubelt eine Menge Diesel sinnlos durch die Einspritzdüsen. Also auch für die Umwelt eher schädlich und leicht vermeidbar. Während nun dieser Anleger früher für jeden zur Verfügung stand, dessen Boot einen Mast hatte, der nicht unter der Kennedybrücke durchpasste, so darf heute im Prinzip keiner mehr aus eigener Kraft hier anlegen. Dessen belehrte uns die Wasserschutzpolizei, die uns am Anleger besuchte. Gelegentlich würden die Seenotretter hier ein abgeschlepptes Schiff festmachen, bis für dessen Reparatur oder Verbleib gesorgt sei. Wir indes müssten umgehen nach dieser Belehrung den Anleger wieder verlassen! Auf meine Frage, wo wir denn als Segler stattdessen festmachen könnten, um die sinnlose Fahrt gegen die Tide zu vermeiden, gab es nur Hinweise aufs Durchschleusen in den Fischereihafen. Wer da schon mal durchgeschleust ist, der weiß, dass dies auch eine unerfreuliche Sache werden kann. Entweder man hat die festen Zeiten um ein paar Minuten verpasst (alle halbe Stunde rein, alle volle Stunde raus) oder aber die Schleuse hält sich selbst nicht an diese Zeit, weil gerade andere Anliegen wichtiger sind. Es ist deshalb durchaus im Bereich des Vorstellbaren, dass wir die Stunden bis zur nächsten Flut nur mit Schleusen hätten verbringen können, bzw. mit den entsprechenden Wartezeiten. Vor der Schleuse kann man aber auch nirgends anlegen. Man muss Kreise fahren und darf dabei die Blexen-Fähre auch nicht behindern. Also wieder sinnlos Sprit verdaddeln! Wer denkt sich bloß sowas aus? Das wäre in Holland gar nicht denkbar!

Nun hatte auch der Wasserschutzbeamte ein gewisses Einsehen in diese unschöne Lage, konnte aber auch nicht über entsprechende Verordnungen einfach hinwegsehen. Da passte es gut, dass ich gerade die Steuerbord-Positionslaterne in der Mangel hatte, um einen Wackelkontakt zu beseitigen. Ein grünes Blinklicht ist nämlich in der SeeSchStrO nicht vorgesehen, jedenfalls nicht für so einfache Boote wie unseres.

Fröhliche Reparatur, unser „Notfall“: Posilicht Stb hatte Wackler. Wir reparieren bis die Flut kommt…

Das fand der Polizist dann auch, dass ich nicht mit defekter Beleuchtung fahren durfte, auch wenn es inzwischen taghell war und keine Sichtbehinderung drohte. Er war vielmehr froh, feststellen zu dürfen, dass meine elektrische Notreparatur ja sicherlich bis zum Tidenwechsel erledigt sein würde und für diese Zeit dürfte ich selbstverständlich hier liegen bleiben. Na also… Geht doch, wenn beide Seiten sich Brücken aufeinander zu bauen.

Dafür kamen die beiden WaschPos dann eine halbe Stunde später wieder zurück und wollten doch ganz gerne jetzt bei uns die alljährliche Sportbootkontrolle durchführen. Dann hätten wir es ja auch hinter uns, falls wir in Bremen nochmals kontrolliert werden würden! Es würde ja jetzt (angeblich) jedes Sportboot jedes Jahr von der WaschPo kontrolliert! Wie das bei den wenigen Polizisten und noch weniger Booten funktionieren soll, diese Frage habe ich mir verkniffen. Dafür freundlich die beiden an Bord gebeten und ihnen alle gewünschten Unterlagen zur Verfügung gestellt. Dazu gehörten auf Anforderung Sportbootführerscheine, Seefunkzeugnisse, Kontrolle der Seefunkgenehmigungsurkunde und des Rufzeichens, Vorhandensein und Aktualität der Seekarten (!). Meine Papierkarten sind vom letzten Jahr – was in Ordnung ist – und meine Plotterkarten sind von vorletzter Woche, weil ich sie da noch einmal am PC aktualisiert habe. Alles bestens. Die versprochene Bescheinigung der Kontrolle ohne Mängel bekam ich dann aber doch nicht, aber nur, weil wir im Klönschnack darüber hinweggekommen sind. Da ich aber mit keiner weiteren Kontrolle zu meinen Lebzeiten rechne, ficht mich das auch nicht sonderlich an. Meine Seekarten halte ich immer aktuell – was eine Selbstverständlichkeit für verantwortungsvolle Nautik ist, und meine Scheine laufen nicht ab. Jedenfalls nicht, bevor ich „ablaufe“.

Wie sagten Ronald und Regine eben so trefflich: „Wir sind erst zweieinhalb Tage unterwegs und haben schon so viel gesehen und gelernt und erfahren, als wäre wir schon wochenlang unterwegs!“ Und bezüglich der Kontrolle könne man sogar sagen: „Jahrzehntelang unterwegs….“.

Manchmal bin ich etwas traurig, dass ich nicht in Holland lebe und Wassersport betreibe. Da ist alles viel entspannter, gepflegter, auf den „Kunden“ Wassersportler ausgerichtet, woran auch immer man denkt und wo auch immer man gerade rumschippert. Schleuse und Brücken haben menschenfreundliche Betriebszeiten, das Personal ist nett und reagiert sofort. Aber kaum überquert man Ems und Dollard, kommt das deutsche Amts-Elend auf einen herab- und zwar in voller Härte! Was nicht ausdrücklich erlaubt ist, das ist verboten! Wenn es auch nur den Ansatz eines Zweifels gibt, wird gesperrt statt nach besseren Lösungen gesucht. Juristisch immer absolut wasserdicht und politisch immer so, dass die Natur auch wirklich nur für Frösche und Seehunde da ist, aber nicht für den Menschen.

Bei Sonnenaufgang vor der Containerkaje Bremerhaven

Oder nur zur Not, wenn es sich garnicht vermeiden lässt. Anleger, die Seglern in ihrer Not eine kurze Rast bieten könnten, werden zu „Not-Anlegern“ und man verdonnert nette Polizisten, das zu kontrollieren und sich immer wieder doch allzu berechtigte Argumente, die ihnen sinnvoll erscheinen müssen, wegwischen zu müssen mit Hinweise auf Verordnungen und darauf, man möge doch dann bitte den Hafenkapitän anrufen und sich eine Sondergenehmigung ausstellen lassen. In welcher Welt leben wir bloß? Ist das noch Politik für Menschen oder werden hier Prinzipien geritten? Und ist das nicht ein weiterer Punkt, der im Prinzip staatstreue und verfassungsfreundliche Bürger zu Wählern einer „Alternative….“ macht?

So, genug des Ärgers. Lieber noch ein paar Fotos. Und dann müssen wir ja auch gleich ablegen. Meine Stb-Posileuchte brennt auch wieder. Wackelkontakt beseitigt. Aber komisch: Immer wenn ich GRÜN sehe, höre oder lese, dann sehe ich irgendwie ROT. Was stimmt da nicht….??? Ich mache mir Sorgen….

Teil III: Erstmals unter Fast-Vollzeug. Segeln bis Brake.

Da heute mal abschnittsweise etwas mehr Wind als Bft 1-2 zu spüren war, haben wir schon im Ochsenhals Vollzeug gesetzt. Na ja, nicht ganz Vollzeug, denn das Klüversegel haben wir uns erst einmal gespart.

Da aber noch das Oberflächenwasser ablief und der Wind immer noch etwas schwach war und genau von vorn kam, war das mit der Kreuzerei ein Nullsummenspiel. Also die Klamotten erst mal wieder runter und bei Großensiel um die Ecke motort. Da konnten wir dann hoch am Wind bis Brake anliegen, volle 5sm und das mit wackeren 3 Bft, in Böen auch mal flotte 4 Bft. Und die braucht unsere Dralle Deern denn auch, wenn’s flott voran gehen soll. Und das tat es dann auch. Nach einigen Korrekturen an den Segeln und am Stand des Schwertes waren wir sehr zufrieden. Die Logge ging deutlich über 5kn hinaus und wir freuten uns über jede schwarze Wolke, die über uns hinwegzog und Wind brachte. Ein toller Törn, wie man in Film auch sehen kann. Den mache ich gleich fertig und stelle ihn hier rein. Jetzt muss ich erst mal Dorit am Ruder ablösen… Bis später dann…

Es lief richtig gut am Wind zwischen Großensiel und Brake! Alle Achtung, Dralle Deern!

Und hier, wie versprochen, der Film vom Segeln mit der Drallen Deern! Einfach hier klicken!

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Kategorisiert in Logbuch

Von Kommodore

Holger Gehrke | Pastor i.R. ("in Rufbereitschaft") | Segler von Kindheit an | Nach vielen Schiffen nun beim Traumschiff "Dralle Deern" gelandet | Ich liebe das Wattenmeer | Es ist mein Revier | Außerdem bin ich Ausbilder für Sportbootführerscheine und Seefunkzeugnisse und ehrenamtlicher Mitarbeiter der Seenotretter (DGzRS) in der Bremer Zentrale | Weitere Hobbys: Posaune, Fotografie, Angeln, Amateurfunk |

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