Oder: Wie war der erste „richtige“ Törn mit einem Plattbodenschiff?
Nun ja, die Reise ist ja noch nicht ganz zuende, aber von Elsfleth nach Ritterhude ist ja morgen nun nicht die Welt und da wird auch nicht mehr groß gesegelt werden. Erstens, weil die Tide und die Schleusenzeiten das nicht hergeben und zweitens, weil das Revier seglerisch schlecht bis unmöglich wird, wenn man erst mal am U-Boot-Bunker vorbei ist Richtung Bremen. Also wird es nicht viel zu berichten geben. Deshalb denke ich schon mal an das Fazit dieses Törns – und dazu muss ich die Ziele desselben noch mal benennen:
- Ronald und Regine wollten mit uns mal eine Woche gemeinsamen Segelurlaub machen und dabei die nächstgelegenen Häfen an der Unterweser kennenlernen.
- Wir wollten- nach eine kurzen Testtörn mit Werner in der Woche zuvor – erstmalig erleben, wie es so mit und auf einem Plattbodenschiff so geht. Immerhin wiegt die Dralle Deern nicht weniger als 5 Tonnen und ist damit doppelt so schwer, wie ihre Vorgängerin „Butt“, die LM23.
Die Antworten auf 1. können wir schnell geben: voller Erfolg, menschlich wie nautisch. Alle Ziele erreicht und der Höhepunkt nautischer Art war nach Aussage von R+R der Törn nach Wremen mit seinem unvergleichlichen Prickenweg im Wurster Tief. Auch der Fast-Nachtstart am nächsten Morgen wird in Erinnerung bleiben.
Umfangreicher wird das Fazit zum Plattbodenschiff ausfallen. Zunächst einmal grundlegend positiv, denn
a. Die Dralle Deern ist ein sehr gemütliches Schiff mit viel Platz an Bord, heimlig in der Kajüte und bequem in den Kojen.
Wir haben gut an Bord gelebt, gegessen und geschlafen. Das alles ist nicht selbstverständlich.
b. Die Technik, auch die von mir nachgerüstete Elektrik und Elektronik, hat in allen Teilen einwandfrei funktioniert. Bis hin zum außen montierten Geber für das Echolot (woran ich kaum zu glauben wagte, da er nur mit einem Saugnapf befestigt ist).
c. Auch die Ankermanövermit dem schweren Pflugscharanker haben prima funktioniert. Es braucht Muskelkraft, ist nichts für schwache Frauen oder Hexenschuss geplagte Männer. Allen anderen erspart es einige Stunden Mucki-Bude.
Nachdem wir die Kette und Uralt-Ankerleine durch eine 12mm Bleileine ersetzt hatten, wurde vieles durchaus leichter und angenehmer. Der Anker hielt immer, ließ sich aber auch gut durch Überfahren ausbrechen und heben.
d. Die Segeleigenschaften. Hier kann es nur eine begrenzte Auswertung geben, weil es meist zu wenig Wind war, dafür viel Sonne und Hitze.
Aber dann und wann war doch mal ein Schlag möglich, mal mit Fock und Groß, mal zusätzlich mit Klüversegel. Die Erfahrungen dabei sind wie folgt – und überraschen wenig:
- Es braucht eine gewisse Mindestwindstärke, ehe sich die Dralle Deern in Bewegung setzt mit ihren 5 Tonnen. Dann aber zieht sie schnurgerade ihren Kurs durch, wobei die Schwerter viel einfacher zu bedienen sind, als es zunächst den Anschein hatte. Auch Kreuzen ist möglich, wenn man sich das „Kneifen“ verkneift, also nicht maximale, sondern nur optimale Höhe läuft. Sonst erntet man Drift.
- Das Setzen der Segeln setzt eine gründliche Kenntnis der vielen Fallen und Leinen am Mastfuß voraus, wenn man kein Unheil stiften will. Das übt sich aber und ging von Mal zu mal schneller vonstatten. Das Setzen und Bergen der Segel ist auch nicht so kompliziert, wie ich befürchtet hatte. Insgesamt muss man aber körperlichen Einsatz zeigen, wie es die Altvorderen nicht anders kannten. Schotwinschen gibt es nicht.
- Dafür hat man Blöcke in den Fallen zur Übersetzung. Und deshalb sind Piek- und Klaufall der Gaffel auch relativ leicht zu dirigieren. Es gibt keine verstellbaren Holepunkt der Schoten.
- Wieder Holzblöcke, die an passender Stelle (die erst zu suchen war) anbringt und dann in etwa den passenden Holepunkt erwischt hat.
- Das Großsegel wird mit offenem Unterliek gefahren und kann sehr schön im Bauch getrimmt werden. Es hat auch keine Latten, was beim zusammenlegen durchaus von Vorteil ist.
- Die Großschot hingegen hat zwei fette Holzblöcke, die auch mal wild zum sich schlagen können, wenn man sie nicht im Griff hat. Statt Curry-Klemme gibt es den „Hackblock“, wo man die Großschot mit sich selbst verklemmen kann. Das funktioniert ganz prima in altholländischer Weise.
- So richtig klar bin ich mir noch nicht darüber, welches die optimale Reihenfolge beim Setzen der drei Segel ist. Bisher habe ich erst das Groß, dann die Fock und schließlich den Klüver gesetzt. Ich werde es auch mal anders herum versuchen.
- Das Boot läuft gut unter Segel. Es kommt auch auf passable Geschwindigkeiten und braucht doch lieber etwas mehr Wind als etwas weniger. Schräglage gab es kaum, höchstens in Böen, aber wir hatten eher zu wenig Wind, um das weiter testen zu können.
Fazit zum Segeln: Man muss kräftig zupacken, aber dann läuft der Kahn auch richtig gut. Alles geht viel ruhiger vonstatten als auf einer hektischen Jolle oder einer modernen Yacht. Es ist, so könnte man auch sagen, ein Motorsegler mit Trend zum Segelboot, nicht zum Motorboot. Das sind keine Stützsegel, sondern „richtige“ Segel, mit denen man wirklich alle Kurse zum Wind segeln kann. Aufkreuzen in engen Fahrwassern wird man sich wohl aber eher Verkneifen. Aber lange Schläge, auch quer übers Watt, das werden die Hightlights der Drallen Deern werden.
e. Und wie ist das Fahrverhalten unter Motor? Mit einem Wort gesagt: Prima. Der 19 PS Dreizylinder von Volvo Penta ist
vollkommenden ausreichend, startet blitzartig und zieht sehr gut durch. Er läuft sehr ausgewogen ruhig und verbraucht, grob gemessen, zwischen 1-1,5 Liter Diesel die Stunde dabei. Ein super Wert. Für alle Manöver gilt die alte Regel: „In der Ruhe liegt die Kraft“. Denn 5t schieben gewaltig nach und wollen auch erst einmal in Bewegung gesetzt sein. Also alles mit Ruhe. Aber dann dann kann man alle Manöver entspannt und zielgenau fahren. Ich bin sehr angetan von den Fahr- und Manövriereigenschaften.
f. Und sonst? Es fällt auf, wie positiv die (nautische) Umwelt auf so ein Plattbodenschiff reagiert. Kein Hafen, keine Schleuse ohne positive Kommentare. Man erregt mehr Aufsehen als die Segelyacht der gehobenen Klasse, die ein zigfaches gekostet hat. Das Schiff spricht Emotionen an, nicht nur beim Eigner – wie es scheint.
g. Kritik? Was hat mir nicht gefallen? Bezeichnenderweise muss ich erst einmal lange nachdenken. Und letztlich fallen mir nur Verbesserungen ein, die mit internen Installationen zu tun haben. Dass die Spüle keinen Ablass hat und das Waschbecken im Klo keinen Frischwassertank. Oder dass ein Chemieklo neben vielen Vorteilen auch ein paar Nachteile hat, die aber lösbar sind. Die Abhilfen in Form von Ein- und Umbauten sind alle schon geplant, teils noch vor der Winterpause. Ein paar kleine Roststellen, die sich zu entwickeln beginnen, habe ich auch entdeckt und werde sie im Winter gleich gründlich bekämpfen. Alles keine großen Dinge, eher Selbstverständlichkeiten bei einem Stahlschiff.
Und ein Oldtimer dieser Art braucht eben auch mehr Zuwendung und Winterpflege als irgendein Plastikdampfer. Viel Holz, viel Stahl. Da gibt es etliches zu schleifen und zu lackieren, die Schwerter etwa werden im Winter eine besondere Zuwendung erfahren müssen. Aber wer das nur als Arbeit empfindet, der sollte sich kein solches Schiff zulegen. Man darf es auch als Gestaltung, Kreativität und sinnvolle Beschäftigung begreifen, wo man am Ende auch einen Lohn für die Mühen sieht. Immer wieder ein schönes Gefühl, auch wenn man vorher viel geschwitzt und vielleicht auch gestöhnt hat. Das ist das Leben, auch das eines Plattbodenschiffes. Oder?
Dorit und ich freuen uns jedenfalls über dieses Schiff, haben Pläne und eine To-Do-Liste, eigentlich zwei davon. Sie eine und ich eine (ganz andere). Das ist ein gutes Zeichen. Es war eine entspannte, schöne Woche und wir haben viel erlebt und dazugelernt. Was will der Mensch mehr….???