DIY im Happy Place

Oder: Warum ist Englisch eigentlich „cooler“ als Deutsch?

Ich wünsche mir eine Neue Deutsche Welle! Nein, nicht der Musik. Da fand ich die alte schon ganz prima. Und das zu einer Zeit, wo man felsenfest davon überzeugt war, Popmusik ließe sich in Deutschland nur dann vermarkten, wenn sie mit englischen Texten daherkäme. Wie blöd die Inhalte dieser Texte im Grunde waren, diese Erkenntnis ersparte man sich schlicht durch Weglassen einer Übersetzung. Dagegen hätten nämlich die schlichtesten deutschen Schlagertexte noch literarisch hochwertig gewirkt! Aber Hauptsache Englisch! War einfach „cooler“ – obwohl man auch dieses Wort damals noch nicht kannte.

Ich bewundere die Franzosen, die große Stücke auf ihre Sprache halten. Die würden eher mal Deutsch sprechen als Englisch! Da mag die alte transkanalische Rivalität noch eine Rolle spielen – seit Wilhelm, dem Eroberer. Sie geben sich auch gar keine große Mühe und setzen dafür alles daran, dass bloß keine Anglizismen in ihre schöne französische Sprache hineinrutschen. Bei uns das glatte Gegenteil! Alles, was aus Amerika kommt, ist per se schon mal „cool“. Nun gut, mit Ausnahme von Donald Trump vielleicht. Aber ich fürchte, selbst das ist nur noch eine Frage der Zeit.

Mittags „muss“ ich immer eine der Lieblingssendungen meiner Frau mit anschauen, oft beim Mittagessen: das „ARD-Buffet“. Da wechseln die Moderatoren sich immer ab und eine ist dabei mit Vornamen Fatma, die steht ganz besonders auf Anglizismen. Und heute bekam ich fast die Krise beim Gemüse-Puffer mit Sahnesoße, als sie von „DIY im Happy Place“ losschwafelte. Vermutlich versteht man das sofort in ihrer Kommunikationsblase, ich hätte aber erst mal ein Wörterbuch „Deutsch-Neudeutsch/Neudeutsch-Deutsch“ gebraucht. Gemeint war also, dass jemand vorhatte, an seinem Lieblingsort heimzuwerken. DIY= Do it yourself. Mach’s selbst. Bastele Dir was. Hol die Säge raus und leg los! Am besten an deinem „Happy Place„. Da, wo Du am liebsten bist. Dein Traum-Ort oder Lieblingsplatz.

Muss man das wirklich so ausdrücken, zumal die überwiegende Mehrheit der Zuschauerinnen dieser Sendung zur Mittagszeit sicher Ü65 sind?

Jetzt könnte ich zig Beispiele für solches „Neudeutsch“ (ich finde den Begriff schon irreführend, denn das ist kein Deutsch), für solchen Sprachmurks anführen. Das schenke ich mir. Jeder, der auch nur einen einzigen Tag mal bewusst darauf achtet, wird es sofort merken.

Ob es mich da tröstet, dass andererseits und zur selben Zeit und bei denselben Leuten auch das Lateinische wieder groß im Kommen ist? Nein. Denn es sind nur zwei bis drei Wörter, die man sich von dort entlehnt hat – und dann aus der Physik, wo sie als Größenbezeichnungen dienen: „Super“ und „Mega„.

Ich frage mich, warum nur diese beiden? Es gibt doch auch noch „Giga“ und „Tera„! Nur „Super“ oder „Mega“ zu benutzen ist doch nichts anderes als eine Verarmung der reichhaltigen Ausdrucksformen der Deutschen Sprache.

Das ist so, als gäbe es in der Musik nur „p“ und „f„. Piano und Forte. Leise und Laut. Es gibt aber auch „pp“ und „ppp„, es gibt „mp“ (mezzopiano), „mf“ (mezzoforte), „ff“ (fortissimo) und sogar „fff“ (forte fortissimo). Da kann man schon ganz schön ein Musikstück gestalten in seiner Darbietung!

Wenn alles aber „Mega“ ist, dann sagt das eigentlich nichts aus, nur dass es dieser Person gut gefallen hat. Wie gut, wie intensiv, und vor allem warum – das müssen wir raten. Also, liebe Modern-Latein-Fans: Ich empfehle Euch zur Anreicherung Eurer Ausdrucksstärken dann wenigstens noch das „Giga“ und das „Tera“. Dass man seine Eindrücke auch mal ganz in Deutsch ausdrücken könnte, davon wage ich allerdings höchstens zu träumen – und es selbst zu tun. Denn unsere Sprache hat noch viel mehr Differenzierungen parat als lateinische Größenbezeichnungen es könnten. Die überlasse ich lieber der Beschreibung von Widerständen, also Kiloohm, Megaohm usw.

Widerstände mit bunten Ringen von Kilo über Mega bis Giga

Und jetzt gehe ich für etwas DIY noch schnell in mein Happy Place und löte mir ein paar Widerstände ins Funkgerät. Es gibt hunderte verschiedener Werte. Und sie sehen alles fast gleich aus, wären da nicht die farbigen Ringe, die ganz genau die Werte unterscheiden. Ein falscher Farbring, und das Radio spielt nicht mehr… Voll Mega!