Wenig Stress dank AIS

Ein Plattbodenschiff ist ein Traditionsschiff. Da braucht man doch keine moderne Elektronik, oder?

Mag sein, dass manche so denken. Ich nicht. Ich finde, man braucht sie, aber man sollte sie so verbauen, dass es den Charakter des Schiffes nicht stört.

Ich jedenfalls möchte nicht mehr ohne elektronische Seekarte, UKW-Seefunk mit DSC-Alarmierung, AIS (Automatic Identification System), Echolot und NMEA2000-Netzwerk fahren. Nicht, weil ich Elektronik-Fan bin, sondern weil damit die Sicherheit von Schiff und Crew erheblich steigt.

Ein (vielleicht etwas wenig alltägliches) Beispiel:

Bei den Prüfungsaufgaben zum Seefunkzeugnis soll man ein Frachtschiff anrufen, das seiner Ausweichpflicht nicht nachkommt und es fragen, ob und wie und wann es ausweichen will. Man weiß weder den Namen noch das Rufzeichen dieses großen Schiffes. Nur „blue hull and white superstructures“. Blaues Schiff mit weißen Aufbauten. Wie ruft man das an, dass es sich angesprochen fühlt? Da mühen sich die Kandidaten immer ab. Mit MFD (MultiFunktionsDisplay), DSC-Funkgerät, Netzwerk und AIS wäre das alles kein Problem. Man sieht auf dem Schirm dieses Schiff als AIS-Symbol. Klickt man drauf sieht man seinen Kurs, die aktuelle Geschwindigkeit, Namen und Rufzeichen. Kommt es näher, ertönt ein Annäherungsalarm. Ich tippe auf dieses Symbol, ein Fenster öffnet sich und ich kann mit einem Fingertipp „Funkkontakt aufbauen“ aktivieren. Es geht ein digitaler DSC-Alarm raus und dann schalten beide Schiffsfunkgeräte automatisch auf den von mir voreingestellten Funkkanal. Das Gespräch kann beginnen. Binnen Sekunden.

Oder ich fahre nachts die Weser rauf. Es ist stockdunkel, jedes zweite Tonnenpaar ist unbeleuchtet, aber den Schiffsverkehr sehe ich schon von weitem als AIS-Symbole auf dem Display. Ich kann weder von hinten überrollt noch von vorn hinter einer Kurve überrascht werden. Das gibt Sicherheit und ich kann mich voll auf die unbeleuchteten Fahrwassertonnen konzentrieren – und die sind wirklich ein Problem.

Es gibt noch eine Menge mehr Vorteile, etwa, dass meine Familie, Freunde oder sonstige Verfolger immer auf ihrer App sehen können, wo ich gerade bin. Gut, manche wollen gerade das verhindern, ich aber nicht. Auch das vermittelt wieder ein wenig Sicherheit und den anderen den Hauch des Gefühls, bei meiner Reise irgendwie dabei sein zu können. Bei allen meinen Törns sind immer einige daheim vorm Bildschirm und schauen mal, ob wir es noch übers Wattenhoch geschafft haben oder nicht. Das finde ich prima.

Also, weniger Stress dank AIS. Dafür bessere Kommunikation und klare Aussagen in Knoten und Grad. Und das für wenig Geld und ohne extra Antenne. Ich kann’s nur empfehlen!